Verehrter Herr von Hofmannsthal!

Ich habe nach wie vor die größte Lust auf Electra u. habe mir dieselbe auch schon bereits ganz schön zum Hausgebrauch zusam̅engestrichen. Die Frage, die ich mir noch nicht endgiltig beantwortet habe, (das wird wohl im Som̅er, der Zeit, wo ich produziren kann, entschieden werden) ist nur, ob ich unmittelbar nach Salome die Kraft habe, einen in Vielem derselben so ähnlichen Stoff in voller Frische zu bearbeiten[,] oder ob ich nicht besser thue, an Electra erst in einigen Jahren heranzutreten, wenn ich dem Salomestÿl selbst wieder ferner gerückt bin.

Darum wäre es mir im̅erhin wertvoll, bald zu wissen, was Sie etwa an Anderem für mich auf Lager haben u. ob ich einen der Salome entfernteren Stoff Ihrer Hand vielleicht vor Electra vornehmen könnte. Sie sprachen außer der Semiramis, auf die ich höchst gespannt bin, noch von einer anderen Arbeit, die [1v] Sie unter der Feder haben; könnte ich davon vielleicht bald etwas sehen? Bis Ende Mai hätten Sie damit Zeit, denn erst von diesem Zeitpunkt ab könnte ich mich wieder dem Schaffen zuwenden.

Jedenfalls bitte ich Sie dringend, mir in Allem Componirbaren von Ihrer Hand das Vorrecht zu lassen, Ihre Art entspricht so sehr der meinen, wir sind für einander geboren u. werden sicher Schönes zusam̅en leisten, wenn Sie mir treu bleiben. Haben Sie nicht einen schönen Renaissancestoff für mich? So ein ganz wilder Cesare Borgia oder Savanarola [sic] wäre das Ziel meiner Sehnsucht!

Mit wärmstem Gruß
Ihr
aufrichtig verehrungsvoll ergebener
DRichardStrauss.