[1r]
Joachimsthalerstr. 17.
Mein lieber Schuch!
Hoffentlich haben Sie inzwischen Cosi fan tutte erhalten. Ich konnte mich leider nicht selbst darum beküm̅ern, da ich schon am 18.ten nach München zur Feuersnot mußte, die[,] wie Sie wohl gehört, großen Erfolg hatte. Dank Ihrer kolossalen Salomeaufführung fängt man nun allgemach an, auch den Dramatiker Strauss verflucht ernst zu nehmen. Diese Nachwirkung hat wohl nicht zum geringsten dazu beigetragen, dass die lieben Münchner die Grobheiten der Feuersnot nicht nur geduldig eingesteckt, sondern sogar bejubelt haben. –
Bayreuth macht (welche Ehre!) bereits energisch gegen den neuen Dramatiker mobil (heiliger Wagner, wenn du wüßtest, wie dich deine Erben unterschätzen!), Thode hat in einem Vortrage hier gestern feierlich entrüstet gegen die Entweihung der Musik als Schildererin der Perversität protestirt. Ich fühle mich kolossal geschmeichelt!
[1v] Wir haben hier am Donnerstag den 4.ten Cosi fan tutte, wozu ich Sie bestim̅t erwarte: ich darf wohl bitten, Partitur etc. umgehend an die hiesige Generalintendanz zu schicken.
Wie geht Salome weiter? Stets ausverkauft? Ich freue mich darüber herzlich, ganz besonders für Sie u. Ihren mutigen Generalintendanten.
Baron von Speidel (München) hat Salome bereits fest angenom̅en. Was hat der Wiener Censor gesagt? Hatten Sie Gelegenheit, ihm einen Staar zu stechen u. ihn etwas zu meinen Gunsten zu bearbeiten?
Viel Glück zum Neujahr! Die größte Freude des Jahres 1905 haben Sie mir bereitet, das steht mit goldenen Lettern eingeschrieben.
Mit herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus
Ihr in Bewunderung nicht mehr zu überbietender [2r] (und dabei bin ich, wie Sie wissen, für gewöhnlich nicht gerade das, was man sonst einen Schmeichler nennt.)
[1v] getreuer
RichardStrauss.
[2r] Wenn Sie kom̅en, melden Sie sich, bitte rechtzeitig bei mir an, essen 2 Uhr Mittags bei mir. Meine Frau ist Gott sei Dank wieder ganz gesund! Nachmittags sorge ich für den entsprechenden Skat!