Lieber Freund!
Haben Sie herzlichen Dank für die freudige Nachricht von gestern und vor Allem für Ihre aufopfernden Bemühungen, wie nicht minder für Ihren (und auch Ihrer lieben Frau) Trostesbrief von neulich. Die Anerkennung, die Sie meinem Werke zollen, Worte, wie man sie gerade von Collegen so selten zu hören bekommt und gerade eigentlich so nötig hätte, hat mich fast noch mehr beglückt als die Nachricht von der Zurücknahme der Aberkennung Ihrer hochweisen Censur. Ich bin natürlich mit allen Änderungen, die Sie wünschen, einverstanden: Die Namensänderung für Johannes, dessen halsbrecherische Geschichte jeder Schuljunge kennt, ist einfach himmlisch!
In Dresden muß die Erstaufführung, da sich die hohe Primadonna Wittich zu spät herabgelassen hat, sich mit ihrer Partitur auseinanderzusetzen, auf December verschoben werden. Ich habe Schuch gestern als letzten Termin, für den ich ihm die Uraufführung garantiere, den 9. December bestimmt. Wenn er bis dahin das Werk nicht herausbringen kann, mag ihm zuvorkommen, wer schneller fertig wird: Sie haben also freies Feld. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich am 13. December abends nach Warschau, Moskau, Petersburg fahre, von wo ich erst Anfang Jänner [?] zurückkomme.
Nun können Sie sich’s nach Belieben einrichten. Wollen Sie Ihre Aufführung gleich auf die Dresdner folgen lassen, etwa am 12. December? Oder auf Januar verschieben?
Partitur ist fertig gestochen; die Orchesterstimmen sind bis etwa 10. November fix und fertig.
Celesta haben Sie ja; müssen Sie sich nur noch ein Hekkelphon1 anschaffen!
Haben Sie (und Ihre liebe Frau) nochmals viel herzlichen Dank und empfangen Sie die wärmsten Grüße (auch von meiner Frau)
Ihres aufrichtig ergebenen
Dr. Richard Strauss
1 | Trennung aufgrund Umbruchs in der Transkriptionsgrundlage: »Hek-kelphon«, hier buchstabengetreu übernommen, evtl. also: »Heckelphon« im Original. |