Brief
Richard Strauss an Ernst von Schuch
Donnerstag, 5. Oktober 1905, Berlin

relevant für die veröffentlichten Bände: I/3a Salome

[1r] GRAND HÔTEL DE RUSSIE
(RUSSISCHER HOF)
BESITZER ARTHUR KÄHNERT.
[…]
BERLIN N.W.
GEORGEN-STRASSE 21–22 DEM BAHNHOF FRIEDRICHSTRASSE DIRECT GEGENÜBER.

Hochverehrtester Freund!

Soeben Ihren lieben Brief! [sic] Sie jagen mir da einen schönen Schrecken ein: ich combinire[,] daß Frau Wittich überhaupt mit dem Studium der Salome noch nicht begonnen hat. Ja, wie soll sie, von der man mir sagt, daß sie schwer lernt u. langsam begreift, bis Ende November diese neue u. schwerste Rolle schaffenlernen u. so frei u. vom Kapellmeister unabhängig schaffen wie es nötig wäre. Oh, Oh, Oh, sagen die Juden auf Seite so u. so viel des Klavierauszuges. Ich will mir gerne so bald als möglich Frl. von Osten als Brünlilde [sic], Isoldchen, Evchen oder Euryanthe anhören: andere Rollen dürften mir für die Beurteilung der Salome nicht in Betracht kom̅en. Sie erhalten, lieber Freund, nächste Woche die Partitur u. werden sich selbst überzeugen, daß nur eine Stim̅e von kräftigstem Metall u. allererster Durchschlagskraft die Salome bewältigen kann. Was nützt mich Darstellung, schönes Aussehen, wenn man sie einfach nicht hört? Aber studiren Sie doch meinetwegen Salome mit ihr, lassen Sie sie alterniren, sollte sie wirklich besser werden als Wittich, dann können wir uns in letzter Stunde im̅er noch entscheiden. »Lies sie Bärbchen vor, lies sie Marzelline vor«, lassen Sie die Rolle doch von beiden studiren u. setzen Sie mir sobald als möglich v. Osten in einer großen Rolle an: ich kom̅e hinüber, aber telegrafiren Sie mir morgen, wann dis [?] ist, damit ich mir meinen Dienst von […] TELEGRAMM-ADRESSE »GRANDRUSSIE«[1v] nächster Wo[c]he darnach einrichten kann. Ich wohne vom 11.ten ab wieder Joachimsthalerstr. 17 (Telefon: Amt Charlottenburg, No. 1145). Daß Burrian capiert, um was es sich da handelt, freut mich sehr! Was macht der süße Perron? Sagen Sie ihm, daß er mir ein Paar 100 Accente bis Ende November aufheben soll. Die 5 Juden können noch warten: sie bekom̅en nächste Woche alle Partien.

Mit herzlichsten Grüßen
Ihr noch im̅er gewaltig erschrockener
DRichardStrauss.

Frau Wittich hat sich wohl im Som̅er einen tüchtigen Bauch hergemästet?

Schade[t] nichts! Stim̅e, Horatio, Stim̅e u. wieder Stim̅e. Alles Andere ist – Bauch [?]! Entschuldigen Sie, daß ich so aufgekratzt bin: mich hat die ganze Nacht ein biederer Hotelfloh gebissen!

verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Claudia Heine

Quellennachweis

  • Original: Bayerische Staatsbibliothek (München), Signatur: Ana 330.I.Schuch, Ernst von, Nr. 11 (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
    • Autopsie: 2017-12-22

Bibliographie (Auswahl)

  • Edition in Gabriella Hanke Knaus (Hrsg.), Richard Strauss – Ernst von Schuch: Ein Briefwechsel (= Veröffentlichungen der Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 16), Berlin, 1999, S. 70–71.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d03884 (Version 2019‑04‑12).

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