Lieber Freund!
Ich kom̅e heute mit der Bitte zu Dir, ob Du mir nicht von den 1300 M., die ich zu Neujahr noch von Dir bekom̅en soll, schon jetzt 800 M. schicken kannst. Ich habe die Copie meiner Oper, Verfertigung des Klavierauszuges etc. zu bezahlen u. es fehlt mir am Kleingeld. Du würdest mir einen Gefallen tuen, wenn es Dir nicht zu große Schwierigkeiten bereitet.
Nun vor Allem, wie geht es mit Deiner Gesundheit?
Hoffentlich wieder gut – wenn nicht, so spanne um Gottes willen aus, erhole Dich, gehe nach dem herrlichen Süden, der heilt alle Schmerzen! Ach, wie sehne ich mich schon wieder danach! Das verfluchte Grau in Grau hier ist scheußlich.
Mein Münchner Engagement ist so gut wie in’s Wasser gefallen! Auch meine Oper will Possart auf 1. Mai verschieben; ich habe [1v] nun zurückgeschrieben, daß, wenn er mir die Erstaufführung nicht bis spätestens Anfang März garantirte, ich dieselbe einer anderen Bühne, ich denke an Carlsruhe, übergeben würde, München käme dann am 1. Mai an zweiter Stelle.
Ich denke am 21. Nov. in München zu sein, um eventuell die ersten Klavierproben des Guntram zu halten.
Tod u. Verkl. hat in der Philharmonie in Berlin (Mannstädt), Don Juan in Frankfurt (Kogel) unlängst einen Bombenerfolg gehabt. »Italien« kom̅t in Breslau, Macbeth in Köln etc. Hoffentlich Ende des Monats auf frohes Wiedersehen in München!
Tausend Grüße an Dich, Deine liebe Frau u. Deinen Bruder!
Dein getreuer
RichardStrauss.