Liebste Hanna!
Ich habe jetzt schöne Tage, da ich in meinem herzlichen Ritter endlich doch wieder einmal einen Freund bei mir habe, dem ich mich so ganz hingeben kann mit vollstem Vertrauen u. mit dem ich mich so ganz eins weiß! Ich kann Euch gar nicht sagen, wie wohl mir diese Aussprache mit ihm mitten in dem tollen Durcheinander des hiesigen Theaters tut. Ah! Da atmet man wieder einmal auf!
Wir hatten Dienstag eine ganz wundervoll gelungene Aufführung von Ritters Opern, u. Ritter hat große Freude daran gehabt.
Heute Lohengrin mit Zeller u. de Ahna, Mittwoch Tristan, DonnerstagEntführung u. am 25.ten fahre ich nach Berlin, wo ich an Papas Geburtstag meine erste Macbethprobe habe.
Ritter wird Euch, wenn er zurück kom̅t, viel erzählen!
Mittwoch habe ich ihm meinen Operntext vorgelesen, von dem er [1v] so entzückt war u. den er für so fertig hält, daß er mir geraten hat, sofort mit dem Componiren anzufangen. Dies hat mir natürlich kolossalen Mut gemacht, ich fange jetzt allmählich selbst an, an den Guntram zu glauben! Ha! Ich bin neugierig, wie mir nach zweijähriger Pause das Componiren wieder schmecken wird! Mit Ritter habe ich viel Interessantes auch über Bayreuth gesprochen, er wird Euch erzählen, wenn er Ende dieser Woche wieder in München sein wird.
Mit meiner Gesundheit geht es gut, von der Influenza bin ich wohl verschont, die jetzt anfängt, sich im Orchester u. Chor etwas breit zu machen. Wir haben heute 14 kranke Choristen u. dazu Lohengrin! Na, es wird auch gehen!
Gestern war ich mit Ritter bei Lassen Abends mit Gießen u. Som̅er, wo recht unerqicklich über den Bayreuther Tannhäuser gestritten wird. Gießen u. Lassen schimpften so frech u. feindselig, daß [2r] Ritter ganz wütend wurde. Ja, ja, der Wein löst die Zungen u. da kom̅en so die verborgensten Dinge zum Vorschein u. zur Warnung!
Für heute lebt wohl, bleibt gesund u. vergnügt u. seid tausendmal gegrüßt von
Eurem
R.
Ritter grüßt schönstens!