Liebe Schwester!
Endlich kann ich Dir für Deinen lieben Brief danken, da ich vorgestern meine Correcturen beendigt habe u. alles was ich in Folge dessen liegen lassen mußte, erledigt habe. Im Theater ist Gott sei Dank jetzt auf 14 Tage Lassen dran u. habe ich etwas Ruhe. Lohengrin am 8. u. das Concert am 9.ten waren starke Brocken mit allen Proben. Lohengrin war im Ganzen sehr gelungen, die Orchesterleistung wirklich vortrefflich u. sehr diskret, bis auf einen falschen Einsatz der Bühnentrompete u. einige Patzer der unsäglichen Fl. Tibelli war auch die Bühne recht gut. Denis als Elsa wie jeher vortrefflich. Die Chöre leisteten das Menschenmöglichste, kurz u. gut, die Aufführung trug den Stempel einer gewissen feierlichen Außergewöhnlichkeit, u. somit in der Hauptsache ist mein Wunsch vorerst, die Leute [1v] fangen an einzusehen, daß Lohengrin doch recht schwer ist u. das ist schon etwas. Die neuen scenischen Arragements haben sich auch bewährt, am Schluß patzte der Schwan durch zu frühes Eintreffen.
Das Concert ging ebenfalls gut, besonders Faustouverture u. Siegfriedidyll gingen wundervoll u. machten einen tiefen Eindruck. Die Schubertsche Sinfonie, die ich in Folge des vorhergehenden anstrengenden Lohengrin, die Sinfonie ist auch sehr ermüdend für die Bläser, wenig probiren konnte, ging im Detail nicht besonders, nur das Andante war schön, die anderen Sätze riß ich durch Schwung u. etwas rasende Tempi heraus, zu dirigiren ist sie gar nicht amüsant, hat aber doch wie es schien, Eindruck gemacht. Nach der Sinfonie wurde ich dem Großherzog vorgestellt, der sehr liebenswürdig [2r] war u. mir speciell nach dem Concert noch seine große Zufriedenheit durch Bronsart aussprechen ließ.
Auf dem Künstlerfest figurirte ich als Bonbonverkaufender Neger, der nur das eine Wort Bonbon kannte, dies machte sehr großartiges Aufsehen; ich fiel auch dem Großherzog gegenüber nicht aus meiner Rolle, er erkannte mich anfangs nicht, als ihm aber mein Name genannt wurde, sagte er sehr komisch: »mein Gott« u. dann: »o, ich mache Ihrer Direction Bon! Bon!« Einige Erinnerungen an das Künstlerfest schicke ich anbei, der Teller [?] mit meiner Carricatur u. den verführten Frauen des Don Juan ist für Papa.
Seid doch so gut u. verkaufe beiliegende 6 Loose a 3 Mark, für die sehr schöne Bilder u. kunstgewerblichen Gegenstände zu gewinnen sind, vielleicht nim̅t sie Dir Tante Johanna [2v] ab. Die daraus gewonnen 18 M. schicke ich Dir, liebe Hanna, zu einem Weihnachtsgeschenk, das Du Dir wohl am besten selbst auswählest, hier ist nämlich gar nichts gescheites zu bekom̅en: Auch bitte ich Dich, liebe Hanna, für Mama etwas zu besorgen, was sie sich wünscht u. was ihr Freude macht. Bringst du die Loose nicht an, so nehme ich sie natürlich zurück u. ersetze Dir den Wert. Vorige Woche hatten wir unter Lassen eine sehr schöne Celliniaufführung1, am 25.ten Meistersinger mit Frau Staudigl aus Berlin als Gast. Ich studire jetzt den Wildschütz neu ein, sonst nichts Neues. Soeben kom̅en neue Correcturen aus Leipzig u. beginnt wieder die sauere Arbeit.
Lebt wohl u. seid alle, Du, Papa, Mama, (Ritters, Thuille, Pschorrs, Comtesse Montgelas) herzlich gegrüßt
von
Eurem
R.
1 | Benvenuto Cellini (Oper von Berlioz). |