Brief
Richard Strauss / Franz Strauß an Josepha Strauss
Donnerstag, 17. Juni 1880, München (ws.)

relevant für die veröffentlichten Bände: III/1 Symphonie d-Moll

Liebe Mama!

Dein Brief, den wir soeben erhalten haben, überraschte uns überaus u. erfüllt uns mit großer Sorge um dein Wohlbefinden. Wir hoffen jedoch, daß dies Unwohlsein es bald wieder vorübergeht u. daß dir dann die Kur vielleicht umso besser anschlägt. Wir sind gottlob alle wohl u. gesund, haben aber (glücklicherweise) schlechtes sehr schlechtes Wetter, das uns doch einigemale schon hinderte auf den Keller zu gehen. In der Klasse geht es mir so ziemlich gut, die Symphonie schreitet ganz wacker fort, es sind jetzt alle 4 Sätze fertig, das Scherzo ganz, der 1. Satz fast ganz instrumentirt u. freue ich mich schon darauf, dir den vollendeten letzten Satz vorzuspielen. Ludwig, Aschenbren̅er u. ich probiren fleißig unser Trio, waren gestern [1v] sogar bei Onkel Knözinger zum Quartettspielen eingeladen, welcher sich ganz günstig über unser berühmtes Quartettspiel aussprach. Der Ruhm davon ist vielleicht auch schon bis Affing u. Feldmoching gedrungen. Neuigkeiten gibt es nicht besonders viele, Papa hat diese Woche nicht viel zu thun, was ihm wohl sehr zu gönnen ist, er arbeitet meinen Marsch für die wilde Gungl um u. hat dabei heute Vormittag gefragt, warum das Trio (pp) nicht in Asdur[,] sondern in Esdur wäre, so hätte er die Melodie von den Trompeten mitblasen lassen. Ich wäre beinahe in Ohnmacht gefallen u. verwahrte mich natürlich (natürlich?) feierlichst dagegen. Ein so schönes Instrument die Trompete am richtigen Orte (bei Fanfaren) ist, so greulich ist es, wenn es eine Melodie [2r] mitbläst. Als ich gestern bei Ben̅o in der Stunde war u. ihn über dein uns so werthes Wohlbefinden befragte, sprach er sich sehr günstig aus u. um so mehr verwunderte u. erschreckte uns dein heutiger Brief. Doch, liebe Mama, sei nur gutes Muthes, es wird dein Gesundheitszustand sich jedenfalls wieder bessern u. du zu uns ganz kräftig u. stark zurückkehren. Wir vermissen dich recht, es fehlt halt, man fühlt es ganz genau, ein bedeutendes Glied, wenn du nicht da bist. Es geschieht zwar alles in der gehörigen Weise u. vielleicht noch mit mehr Ruhe, wenn man nicht besorgt ist, du möchtest dich nicht zu sehr anstrengen u. im Haushalte u. mit Flickereien u. Stickerein zu sehr abarbeiten, aber es waltet doch eine Oede u. Einsamkeit in den Räumen der Wohnung. Nun, liebe Mama, pflege dich [2v] recht sorgfältig u. strenge dich, wenn du wieder dich besser fühlst, nicht zu sehr an, indem du glaubst[,] du seiest dann schon über alle Berge u. schreibe uns recht bald, nur eine halbe Seite, nur wie du dich befindest. Nun, leb recht wohl u. sei tausendmal gegrüßt von Papa, Han̅a, Franzi unseren Verwandten u. von

deinem

Dich in̅ig liebenden Sohne

Richard

[Franz Strauß:] 1Liebe gute Mama! Dein Brief – oder besser – der Inhalt desselben hat mich sehr unangenehm überrascht, umso mehr[,] als Benno zu Richard sagte, daß es dir gut ginge. Ich bitte dich herzlich[,] gebe recht auf deine Gesundheit acht, und sollte dir das Baden nicht gut bekom̅en, so laß es weg, frage den Arzt darüber. Beiliegenden Brief von Frau Leiter hat Richard gestern beantwortet. Hanna ist nicht zu Hause, sondern in der Turnstunde, und kom̅t vor absenden nicht mehr nach Hause, sondern gleich auf den Keller. Lebe wohl[,] liebe Mama, sei herzlich umarmt und geküßt von deinem dich innig liebenden

Franz.

2Schreibe recht bald[,] wie es dir geht, wenn auch nur mit wenigen Zeilen.

1Am oberen Seitenrand um 180° gedreht.
2Am unteren Seitenrand.
verantwortlich für die Edition dieses Dokuments: Bolz, Sebastian

Quellennachweis

  • Original: Bayerische Staatsbibliothek (München), Signatur: Ana 330.I. Strauss, Familie, Nr. 9 (Autograph) (Transkriptionsgrundlage)

    • Hände:

      • Richard Strauss (handschriftlich)
      • Franz Strauß (handschriftlich)
    • Autopsie: Keine Autopsie des Originals.

Zitierempfehlung

Richard Strauss Werke. Kritische Ausgabe – Online-Plattform, richard‑strauss‑ausgabe.de/d01538 (Version 2024‑12‑04).

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